Sucht kommt selten allein und nicht aus heiterem Himmel
Gelungener Selbsthilfefachtag
Warum werden manche Menschen abhängig und manche Menschen nicht? Welche Schutzfaktoren gibt es? Und wie können sich Betroffene von der Sucht und ihren vielfältigen Folgeerscheinungen lösen? Dies und mehr waren Fragestellungen, mit denen sich die Teilnehmer*innen beschäftigten.
Zu Beginn der Veranstaltung erklärte die Suchttherapeutin Marion Richter die Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung anhand des multifaktoriellen Konzepts des bio-psycho-sozialen Modells. Die Faktoren, welche zur Entstehung einer Sucht beitragen, sind nicht als Ursache Wirkungs-Verhältnis zu verstehen, sondern als Wechselwirkungs-verhältnis. Dieses besteht aus Ursachen in der Person liegend, in deren Umwelt als auch in dem Suchtmittel an sich.
Im Anschluss setzten sich die Teilnehmer*innen in vier Workshops intensiver mit einzelnen Themen auseinander: Sucht und Psychische Erkrankungen gehören häufig zusammen und sind ein Thema, mit dem sich Selbsthilfegruppen zunehmend auseinandersetzen müssen. Insbesondere Depressionen und Ängste stehen in Verbindung mit einer Suchterkrankung. In Rollenspielen konnte die soziale Kompetenz trainiert werden, wobei sich selbst Skeptiker überzeugen ließen. Und was Angehörige für sich tun können, wenn der Partner oder die Partnerin „trockengelegt“ sind, war ebenfalls Thema. Denn dann fängt die herausfordernde Phase meist erst an. Die Dynamik in der Familie ändert sich und oftmals müssen Rollen neu verteilt werden.
Auf eine literarisch spannende Kreativreise begaben sich die Teilnehmenden im Workshop Sucht und Schreiben. Pauline Füg, Poetry-Slammerin und Autorin gab einen Input und motivierte dazu eigene Texte zu verfassen. Dies war eine ungewöhnliche Art sich mit der Thematik rund um Sucht zu befassen.
Ein Beispiel dafür ist folgender Text:
„Mein Name ist Herr Führerschein.
Ich träume davon ein Fahrzeugführungspapier zu sein.
Ich hatte richtig gute Tage -
die ganze Zeit in der Autofensterablage.
Oft jedoch – es war wohl des Besitzers Wille,
morgens schon mit zwei Promille.
Gestern ist er aufgeflogen,
jetzt hat man mich eingezogen.“
Im anschließenden „Austauschcafé“ informierten sich die Teilnehmer*innen über die Inhalte und Ergebnisse der anderen Workshops und hatten zugleich die Möglichkeit sich kennen zu lernen und wertvolle Erfahrungen auszutauschen.
Wie gut es ist und sein kann, die Selbsthilfe in all ihren Facetten immer wieder zu erleben und wie gut es tut, gemeinsam zu wachsen, das bestätigten die Teilnehmenden durch ihre engagierten Diskussionsbeiträge. Selbsthilfe ist eine wertvolle Stütze, um aus dem Teufelskreis der Sucht auszubrechen und dranzubleiben. Ebenso wichtig ist die Vernetzung von Selbsthilfe und professionellen Akteuren der Suchtkrankenhilfe.
Veranstaltet wurde der Fachtag von der Selbsthilfekoordination Bayern in Kooperation mit dem Selbsthilfebüro KORN, finanziell unterstützt vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.
Lydia Ringshandl, KORN Ulm
Irena Tezak, SeKo Bayern